Forstrevierleitung und Jagdpacht

Jagdlich aktive Personen sind zentrale Akteure im Rotwildmanagement. Bei der an 1.995 Personen im Rotwildgebiet verschickten Umfrage zu Wertvorstellungen gegenüber Wildtieren, zur Einstellung zu Rotwild und der Bewertung möglicher Maßnahmen im Umgang mit Rotwild erhielten 326 jagdlich aktive Personen zusätzlich einen Fragebogen zur Rotwildjagd. In diesem wurden unter anderem die Motive und Ziele bei der Rotwildjagd, die Wahrnehmung sowie die Bewertung der Jagd- und Hegeorganisation untersucht

(Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Folgenden auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für beide Geschlechter.) Es wurden 177 Jagdfragebögen ausgefüllt zurückgeschickt, welche von 79 Jagdpächtern, 61 Forstrevierleitern sowie 27 Begehungsscheininhabern und Jagdgästen ausgefüllt wurden (sowie 10 ohne Angabe).

Da der überwiegende Anteil die Jagd als Pächter oder Forstrevierleiter ausübt, werden im Folgenden diese vergleichen. Die ähnliche Stichprobengröße der beiden Gruppen macht die Vergleichbarkeit statistisch einfacher. Darüber hinaus beeinflussen diese das Rotwildmanagement in besonderem Maße. Die Antworten der Begehungsscheininhaber und Jagdgäste bewegten sich bei fast allen Fragen zwischen denen der Forstrevierleiter und Jagdpächter.

Abb. 1: Motive und Ziele bei der Rotwildjagd von Forstrevierleitern und Jagdpächtern im Nordschwarzwald (n=140). In der Grafik sind reihum die einzelnen Motive und Ziele genannt. Die durch Linien verbundenen Punkte zeigen, wie wichtig diese den Forstrevierleitern und Jagdpächter sind. Je weiter außen ein Punkt liegt, desto wichtiger ist das Motiv. („1“, mittig: „sehr unwichtig“ bis „5“, außen: „sehr wichtig“). (Mit * markierte Motive unterscheiden sich statistisch signifikant zwischen den beiden Gruppen.)

Motive und Ziele bei der Rotwildjagd

Zu Beginn des Fragebogens sollten die Jagenden angeben wie wichtig oder unwichtig Ihnen verschiedene Motive und Ziele bei der Rotwildjagd sind. Diese 24 Motive und Ziele sind in Abb. 1 dargestellt. Die Motive Naturerlebnis, Entspannung, körperliche Aktivität und Spannung sind mit einem körperlichen und geistigen Erlebnis verbunden. Diese Motive waren bei den Jagdpächtern signifikant höher ausgeprägt (eher wichtig) als bei den Forstrevierleitern (weder noch).

Rotwildspuren zu suchen, Rowild zu beobachten und ein Naturverständnis zu entwickeln bedeuten ein Beobachten und Lernen. Dies ist den Jagdpächtern ebenfalls signifikant wichtiger (eher wichtig, Rotwildbeobachtung ist sehr wichtig) als den Forstrevierleitern (weder noch). Im Bereich Management sind Naturschutz und Lebensraumverbesserung den Jagdpächtern etwas wichtiger als den Forstrevierleitern, die Bestandesregulation ist beiden Gruppen wichtig, den Forstrevierleitern jedoch signifikant stärker. Die Wildschadensvorbeugung und die Abschlussplanerfüllung halten beide Gruppen gleichermaßen für eher wichtig.

In Bezug auf verschiedene Erfolgsziele ist den Jagdpächtern die Nutzung der eigenen Jagdausrüstung deutlich und der Einsatz der eigenen jagdlichen Fähigkeiten ein wenig wichtiger als den Forstrevierleitern. Für beide hat das Abgeben eines guten Schusses auf Rotwild eine hohe Bedeutung, wohingegen es für Forstrevierleiter wichtiger ist Beute zu machen. Die Gewinnung von Wildbret ist wiederum für beide Gruppen eher wichtig. Trohpähen zu erbeuten und zu zeigen ist beiden Gruppen eher unwichtig, wobei dies den Forstrevierleitern noch deutlich unwichtiger ist als den Jagdpächtern.

Hinsichtlich sozialer Motive ist beiden Gruppen das Alleinsein weder besonders wichtig noch unwichtig. Für die Jagdpächter hat hingegen die Gemeinschaft mit Jagdgefährten und der Familie/Verwandten sowie die Bewahrung jagdlicher Traditionen eine eher wichtige Bedeutung, für die Forstrevierleiter ist dies relativ unwichtig. Für beide Gruppen ist Anerkennung nicht sonderlich wichtig.

Abb. 2: Einstellung zu Rotwild von Forstrevierleitern und Jagdpächter im Rotwildgebiet Nordschwarzwald (n=140), Angaben von -2: „stimme gar nicht zu“ bis 2: „stimme voll und ganz zu“. (Mit * markierte Aussagen unterscheiden sich statistisch signifikant zwischen den beiden Gruppen.)

Einstellung zu Rotwild

Bei der Einstellung zu Rotwild zeigen sich einige Gemeinsamkeiten zwischen den Forstrevierleitern und den Jagdpächtern (Abb. 2). Sowohl die Forstrevierleiter als auch die Jagdpächter freuen sich, wenn sie Rotwild sehen. Ihnen sind ist das Rotwildvorkommen in der Region persönlich wichtig und sie unterstützen den Erhalt von Rotwildpopulationen für zukünftige Generationen. Außerdem finden sie nicht, dass es besser wäre, wenn kein Rotwild mehr im Nordschwarzwald frei leben würde, wenngleich die Forstrevierleiter bei diesen Aussagen auch eine etwas geringere Zustimmung zeigen als die Jagdpächter.

Rotwild steigert nur bedingt die persönliche Lebensqualität der Forstrevierleiter. Diese stimmen auch nur teilweise den Aussagen zu, dass Rotwild ein Zeichen einer intakten Umwelt und wichtig für den Erhalt der Biodiversität ist. Die Jagdpächter stimmen diesen Aussagen in relativem hohem Maß zu. Die Jagdpächter finden zudem, dass Rotwild das Recht haben sollte, zu existieren, wo auch immer es auftaucht und lehnen es entsprechend auch ab, dass Rotwild nur in räumlich begrenzten Rotwildgebieten vorkommen soll. Die Forstrevierleiter stimmen beiden Aussagen weder besonders stark zu noch lehnen sie diese besonders ab.

Bewertung des Status quo

Größere Unterschiede zeigen sich bei der Bewertung des Status quo (Abb. 3). Die größte Differenz wird bei der Bewertung der aktuellen Problemsituation und deren Management sichtbar: Während die Forstrevierleiter die durch Rotwild verursachten Probleme als Anlass zur Sorge sehen, das aktuelle Ausmaß an Wildschäden als zu hoch bewerten und die eingesetzten Maßnahmen zur Wildschadensvermeidung als nicht ausreichend bewerten, sind die Jagdpächter hier genau der gegenteiligen Meinung. Zudem finden die Forstrevierleiter eher, dass sich die Größe von Rotwildbeständen vorranging an den Zielen des Grundeigentums orientieren sollte; die Jagdpächter haben hier keine besonders zustimmende oder ablehnende Haltung.

Allerdings sind sich beide Gruppen einig, dass es generell wirksame Maßnahmen gibt, welche die negativen Folgen verringern können, die Rotwild verursachen kann. Ebenfalls herrscht Einigkeit darüber, dass Rotwild eine jagdlich attraktive Wildart ist, dass es bejagt werden soll und dass Rotwild nicht ausschließlich durch natürliche Einflüsse reguliert werden sollte. Die Jagdpächter sind jedoch der Meinung, dass Rotwild eine hohe wirtschaftliche Bedeutung (etwa durch Jagdertrag und Wildbretverkauf) und einen touristischen Mehrwert für den Nordschwarzwald hat. Die Forstrevierleiter lehnen dies eher ab bzw. bewerten dies eher neutral.

Abb. 3: Bewertung des Status quo von Forstrevierleitern und Jagdpächter im Rotwildgebiet Nordschwarzwald (n=140), Angaben von -2: „stimme gar nicht zu“ bis 2: „stimme voll und ganz zu“. (Mit * markierte Aussagen unterscheiden sich statistisch signifikant zwischen den beiden Gruppen.)
Abb. 4: Wahrnehmung der Entwicklung von Wildschäden und des Rotwildbestands sowie gewünschte Entwicklung des Rotwildbestands von Forstrevierleitern und Jagdpächtern im Nordschwarzwald für einen Zeitraum von jeweils zehn Jahren (n=140); Angaben von -2: „starke Abnahme“ bis 2: „starke Zunahme“. (Mit * markierte Aussagen unterschieden sich statistisch signifikant zwischen den beiden Gruppen.)

Wahrnehmung der Entwicklung von Wildschäden und Rotwildbestand & gewünschte Entwicklung des Rotwildbestands

Nach Einschätzung der Forstrevierleiter haben die Wildschäden in den letzten zehn Jahren leicht und der Rotwildbestand eher stark zugenommen. Außerdem wünschen sich die Forstrevierleiter eine leichte Abnahme des Rotwildbestands. Die Jagdpächter schätzen hingegen, dass sich die Wildschäden und der Rotwildbestand kaum verändert haben. Ihrer Meinung nach sollte der Rotwildbestand in den kommenden zehn Jahren leicht zunehmen (Abb. 4).

Bewertung möglicher Maßnahmen für den Umgang mit Rotwild

Sowohl Forstrevierleiter als auch Jagdpächter befürworten tendenziell die Entwicklung einer Rotwildkonzeption und Besucherlenkungskonzepte. Zum Erlebbarmachen von Rotwild für Touristen haben beide Gruppen eine eher neutrale Haltung, mit leichter Zustimmung durch die Jagdpächter. Sehr viel stärker befürworten die Jagdpächter hingegen die Lebensraumgestaltung für Rotwild durch angepasste Waldbewirtschaftung, die Einrichtung von Wildäsungsflächen sowie bedingt auch durch die Einrichtung von im Rotwildgebiet verteilten Wildruhezonen. Die Forstrevierleiter unterstützen diese Maßnahmen ebenfalls, wenn auch mit geringerer Zustimmung.

Beide Gruppen sind zudem tendenziell der Meinung, dass die Rotwildhegegemeinschaften neu organisiert werden sollten und lehnen einen Jagdverzicht im Nationalpark eher ab. Größere Uneinigkeit herrscht bei möglichen Waldschutzmaßnahmen zur Wildschadensvermeidung und der Winterfütterung für Rotwild: Beide Maßnahmen werden von den Forstrevierleitern abgelehnt und von den Jagdpächtern befürwortet (Abb. 5).

Abb. 5: Bewertung möglicher Maßnahmen für den Umgang mit Rotwild von Forstrevierleitern und Jagdpächtern im Nordschwarzwald (n=140), Angaben von -2: „lehne ich voll und ganz ab“ bis 2: „befürworte ich voll und ganz“. (Mit * markierte Aussagen unterschieden sich statistisch signifikant zwischen den Gruppen.)
Abb. 6: Bewertung der Jagd- und Hegeorganisation sowie möglicher Veränderungen von Forstrevierleitern und Jagdpächtern im Nordschwarzwald (n=140), Angaben von -2: „Ablehnung“ bis 2: „Zustimmung“. (Mit * markierte Aussagen unterschieden sich statistisch signifikant zwischen den Gruppen.)

Bewertung der Jagd- und Hegeorganisation und möglicher Veränderungen

Stärkere Unterschiede zeigen sich bei der Bewertung der Jagd- und Hegeorganisation sowie möglicher Veränderungen dieser. Die Jagdpächter sind mit der Abschussplanung, der Trophäenaufteilung und dem Abschussmeldeverfahren weitgehend zufrieden, auch die Arbeit der Rotwildplanungskommission bewerten sie eher positiv. Die Forstrevierleiter sind mit diesen Prozessen weder besonders zufrieden, noch besonders unzufrieden, wobei die Arbeit der Rotwildplanungskommission als eher unzureichend bewertet wird. Die Jagdpächter sprechen sich hingegen deutlich gegen die Einführung eines körperlichen Nachweises aus; die Forstrevierleiter haben dazu eine neutrale Haltung.

Die Forstrevierleiter finden wiederum eher nicht, dass die Rotwildhegegemeinschaften derzeit eine gute Abstimmung und Zusammenarbeit zwischen den Jagdenden ermöglichen, was durch die Jagdpächter neutral bewertet wird. Als mögliche Veränderungen finden die Jagdpächter die Einführung einer Rotwildhegegemeinschaft in Form einer freiwilligen Selbstverpflichtung bedingt zielführend, eine Rotwildhegegemeinschaft in Form einer Körperschaft des öffentlichen Rechts lehnen sie hingegen ab. Die Forstrevierleiter lehnen beide Veränderungen eher ab.

Die Einbindung anderer Gruppen (z. B. des Grundeigentums oder von Gemeinden) befürworten die Forstrevierleiter, die Jagdpächter sind hier gegenteiliger Meinung. Die Forstrevierleiter sprechen sich klar gegen den Ausbau von Veranstaltungen wie einer Rotwildschau aus; die Jagdpächter bewerten dies neutral. Den Ausbau von Veranstaltungen für die breitere Öffentlichkeit befürworten die Jagdpächter hingegen, hierzu haben wiederum die Forstrevierleiter eine neutrale Haltung (Abb. 6).

Diskussion und Schlussfolgerungen

Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Motive und Ziele zwischen Forstrevierleitern und Jagdpächtern unterscheiden und dass beide den Status quo sowie die mit Rotwild verbundenen Chancen und Risiken recht unterschiedlich bewerten. Die Wahrnehmung von der Wildschäden und des Rotwildbestands unterscheiden sich ebenfalls deutlich und entsprechend wird auch eine unterschiedliche Entwicklung der Rotwildpopulation gewünscht.

Allerdings zeigt sich auch, dass die Einstellung zum Rotwild bei beiden Gruppen grundsätzlich positiv ist. Beide Gruppen befürworten zudem klar die meisten diskutierten Maßnahmen für den Umgang mit Rotwild, die zu einem besseren Miteinander der verschiedenen menschlichen Interessen und des Rotwilds führen könnten. Deutliche Unterschiede zeigen sich wiederum bei der Zufriedenheit mit der derzeitigen Jagd- und Hegeorganisation und der Meinung, wie diese zu ändern sei.

Insgesamt zeigt sich, dass Forstrevierleiter und Jagdpächter im Rotwildgebiet Nordschwarzwald grundsätzlich ein Miteinander befürworten. Durch die alltäglichen Aufgaben, Herausforderungen und Zielsetzungen, sowie sicherlich auch das soziale  Umfeld, unterscheidet sich die Wahrnehmung zwischen beiden Gruppen deutlich. Auch die Ansicht, welche konkreten Wege der Jagd- und Hegeorganisation zielführend oder kritisch zu bewerten sind, wird sehr wahrscheinlich dadurch beeinflusst.

Die Ergebnisse können der jeweils anderen Gruppe helfen, ein besseres Verständnis über die Ziele und Wünsche der jeweils anderen zu erhalten und auch Punkte aufzeigen, bei denen Gemeinsamkeiten bestehen. Wichtig für die weitere Entwicklung der Rotwildkonzeption ist es, diese unterschiedlichen Sichtweisen der jagdlichen Akteure zu berücksichtigen und das Management entsprechend anzupassen.

Literatur

Carpenter, L. H., Decker, D. J. & Lipscomb, J. F. (2000). Stakeholder Acceptance Capacity in Wildlife management. Human Dimensions of Wildlife, 5(3), 5–19. doi:10.1080/10871200009359184

Decker, D. J., Brown, T. L. & Gutiérrez, R. J. (1980). Further Insights into the Multiple-Satisfactions Approach for Hunter Management. Wildlife Society Bulletin, 8(4), 323–331.

Hendee, J. C. (1974). A Multiple-Satisfaction Approach to Game Management. Wildlife Society Bulletin, 2(3), 104–113.

Lischka, S. A., Riley, S. J. & Rudolph, B. A. (2008). Effects of Impact Perception on Acceptance Capacity for White-Tailed Deer. Human Dimensions of Wildlife, 72(2), 502–509. doi:10.2193/2007-117

Riley, S. J. & Decker, D. J. (2000). Wildlife Stakeholder Acceptance Capacity for Cougars in Montana. Wildlife Society Bulletin, 28(4), 931–939.